Kritik an abgedroschener Contergan-Logik„The European“: Philosoph Michael Schmidt-Salomon nahm zur PID-Legende von einer "Unkultur des Todes" Stellung.
Die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) in engen Grenzen durch einen Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags am vergangenen Donnerstag ist auf teilweise herbe Kritik gestoßen. Joachim Meisner, ein einflussreicher Prediger aus Köln, deutete die Parlamentsentscheidung für die ihm Gläubigen in ein irreales Schreckensszenarium um und behauptete sogar: „Wer unseren Kriterien nicht entspricht, wird verworfen, getötet und entsorgt.“
Auch der langjährige Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, äußerte sich zur PID-Zulassung und forderte Bundespräsident Christian Wulff auf, das Gesetz nicht zu unterschreiben. Am Dienstag nahm Steeb ausführlicher beim Online-Magazin „The European“ Stellung, um für die Kassation des Bundestagsbeschluss durch Wulff, der seine großen Sympathien für Steebs religiöse Überzeugungen in der Vergangenheit schon öffentlich bekundete, zu plädieren. Es hieß nun unter anderem, menschliches Leben beginne bei der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle und entwickele sich danach „als Mensch, nicht zum Menschen“. Zudem sei die Würde des Menschen „nicht teilbar“. Daher hätte Wulff die Entscheidung bereits am letzten Donnerstag nicht zulassen dürfen und müsse daher nun in Rahmen seiner Verantwortung davon absehen, das Gesetz zu unterschreiben und es auszufertigen. Das sei die letzte Hoffnung, so Steeb, um „das nötige Stoppschild dem weiteren Abwärtstrend der Unkultur des Todes entgegenzuhalten.“ Steeb wandte sich zugleich erneut gegen „das Unrecht der Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib, die der Gesetzgeber schon lange duldet bzw. erlaubt und meist aus öffentlichen Kassen finanziert“, womit er Schwangerschaftsabbrüche meinte.
„Klar ist: Wer glaubt, dass mit der Befruchtung der Eizelle ‚heiliges Leben‘ entstehe, der muss die Zulässigkeit der PID, der Spirale und des Schwangerschaftsabbruchs bestreiten. Deshalb ist es zweifellos das gute Recht der Gläubigen, für sich selbst PID und Schwangerschaftsabbruch abzulehnen“, äußerte sich heute erneut Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung, bei „The European“ zur Debatte. Jedoch haben diese Menschen nicht das Recht, den Menschen mit anderen Auffassungen die PID-Anwendung vorzuenthalten. Schmidt-Salomon stellte ebenfalls erneut klar, dass jeder empirischen Erfahrung nach die PID-Zulassung nicht zur Herabsetzung von Behinderten führt. Zudem ist solch ein Argument auch „theoretisch widersinnig“, da nach dieser Logik die Impfung gegen Kinderlähmung eine Diskriminierung von Menschen mit Kinderlähmung zur Folge haben könne. Er betonte nochmals, dass tatsächlich existente Menschen mit Krankheit oder Behinderung jede Unterstützung verdienen, wandte sich aber gegen Behinderungen pauschal gutheißende Denkansätze: „Wären Behinderungen bloß Ausdruck unterstützenswerter ‚Vielfalt‘, wie manche meinen, müsste man die Grünenthal GmbH dafür belobigen, dass sie die menschliche Vielfalt im Zuge des Contergan-Skandals so effektiv beförderte. Dies jedoch wäre – im Unterschied zur PID – tatsächlich ‚behindertenfeindlich‘!“
Hierzu hatte sich auch Katrin Grüber am Samstag geäußert. Die Leiterin des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft und ehemalige NRW-Landtagsvizepräsidentin erinnerte an die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und meinte: „Die Konvention assoziiert Behinderung nicht mit Leid, sondern erkennt Behinderung als Teil menschlicher Vielfalt an.“ Deshalb trügen die Befürworter der PID-Zulassung nun „eine besondere Verantwortung dafür, die UN-Konvention insbesondere auch in dieser Hinsicht umzusetzen.“
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