PRESSEMITTEILUNG
Contergan-Opfer verweigert Steuerzahlung
Der 48-jährige Rechtsanwalt Otmar Korte aus Norderstedt fühlt sich als Contergan-Opfer nicht nur enteignet und in seiner Menschenwürde verletzt; er gibt der Bundesrepublik Deutschland auch eine erhebliche Mitschuld an seiner Behinderung. Deshalb verweigert er die Steuerzahlung. Jetzt muß das Finanzgericht in Schleswig-Holstein entscheiden.
Norderstedt - Rechtsanwalt Otmar Korte, Jahrgang 1961 und contergangeschädigt, verheiratet, zwei Kinder, verweigert die Steuerzahlung und klagt gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Steuerbefreiung. Korte hat sein Leben trotz der pränatalen schweren Körperschädigung privat wie beruflich gemeistert. Er bezieht vom Staat keine Zuschüsse oder Sozialleistungen. Er bezieht keine Leistungen vom Staat, will aber auch nicht, daß dieser von ihm Steuern erhält.
Durch Contergan wurden Ende der fünfziger/Anfang der sechziger Jahre ca. 10.000 mißgebildete Kinder allein in Deutschland geboren. Diese Kinder wurden damals Mißgeburten genannt. Eines davon ist der heutige Fachanwalt für Arbeitsrecht Otmar Korte. Nach einem jahrelangen Strafverfahren gegen die Verantwortlichen des Herstellers von Contergan wurde dieses mangels „öffentlichen Interesses“ eingestellt. Die Ansprüche der geschädigten Kinder wurden durch ein umstrittenes Einzelfallgesetz in eine Stiftung überführt, aus der heute Rentenzahlungen an die Opfer erbracht werden. Ansprüche gegen den Schädiger, die Grünenthal GmbH in Stolberg, wurden durch das Gesetz ausgeschlossen. Die deutschen Contergan-Opfer erhalten wesentlich niedrigere Zahlungen als Opfer in anderen Ländern. So liegt die deutsche Höchstrente bei € 1.090.- pro Monat, aber das erst seit Mitte 2008, nachdem der Contergan-Film im November 2008 ausgestrahlt worden war. Vorher lag die Höchstrente bei € 545.-. Selbst in Italien beträgt die Rente € 3.950.-. Deutsche Contergan-Opfer werden von anderen Sozialgesetzen ausgeschlossen. Sie werden in einigen Fällen sogar deutlich schlechter gestellt als andere Opfer; seien es unschuldige Opfer Dritter oder sogar Opfer aus militärischen Einsätzen. Auch für politisch Verfolgte in der DDR gibt es eine Sonderrente von € 250.- monatlich. Dafür muß das SED-Opfer mindestens sechs Monate inhaftiert gewesen sein. Sonstige Schäden sind nicht notwendig.
Die Bundesrepublik zahlt für alle möglichen Geschädigten. Selbst für Opfer von Naturkatastrophen werden Spendengeld und Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. Für die Opfer ihrer eigenen Fehler will die Bundesrepublik jedoch nicht aufkommen. Dabei steht fest, daß mehr als die Hälfte der Contergan-Schädigungen vermieden worden wären, wäre die Bundesrepublik damals ihren staatlichen Verpflichtungen, für die sie Steuern einzieht, nachgekommen. Erste Schadensfälle hätte sie als Warnung nehmen müssen. Dann müßte der Kläger, der im August 1961 geboren wurde, heute nicht als Krüppel leben.
Als die Schäden jedoch eingetreten waren, wurde die Stiftungslösung gefunden, um eine Haftung der Bundesrepublik zu vermeiden und den Hersteller von der Haftung zu befreien. Die Contergan-Kinder wurden ihrer Schadensersatzansprüche gegen den die Chemie Grünenthal enteignet. Alle Ansprüche sollten sich nur noch gegen die Stiftung richten. Ein Sonderfonds für die Contergan-Kinder, wie seinerzeit von der SPD gefordert, wurde nicht eingerichtet. Die Contergan-Opfer wurden in ihrer Bedürftigkeit an die Sozialämter verwiesen, womit sich der Staat aus seiner Haftung entzog. Die schwerstgeschädigten und wehrlosen Contergan-Opfer wurden zum Spielball der Interessen der Chemie Grünenthal und des Staates.
Rechtsanwalt Korte hat es trotz aller Widrigkeiten in Ausbildung und Beruf geschafft, für seine Familie und sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Hilfe vom Staat erhielt er nicht, trotz seines schweren Körperschadens, den der Staat mitverschuldet hat. „Wenn der Staat von mir Steuern fordert, handelt er gegen meine Menschenwürde“, so Korte. „Ich soll meinen Schädiger, der mir zusätzlich auch noch meine Rechte genommen hat, bezahlen, obwohl ich ihn durch meinen persönlichen Einsatz von Sozialleistungszahlungen an mich freihalte. Perfider geht´s nicht.“
Da Korte in den letzten Monaten keine Steuern mehr gezahlt hat, ist ihm nun von Finanzamt im sonst so beschaulichen Bad Segeberg die Vollstreckung angedroht worden. Auch eine Aussetzung der Vollstreckung bis zur endgültigen Klärung kam für den Sachbearbeiter nicht in Frage. Nur zur Vermeidung weiterer Nachteile in seinem Beruf als Rechtsanwalt hat sich Korte den Vollstreckungsattacken des Finanzamtes teilweise ergeben.
„Auf höchster Ebene wurden wir damals unserer Ansprüche enteignet, dafür wird heute auf unterster Ebene ohne Rücksicht vollstreckt“, beschwert sich Korte. Er kenne einen Fall, in dem das Finanzamt gegen ein Contergan-Opfer sogar Insolvenz beantragt hat. Andere haben Steuerschulden bezahlt, indem sie ihre Rente aus der Stiftung an den Staat zurückgeführt haben. Das sei menschenverachtend. Es bleibe abzuwarten, wie das Gericht die Angelegenheit beurteilt. Möglicherweise könne die Rechtsfrage auch erst auf europäischer Ebene geklärt werden.
Derzeit ist die Sache anhängig beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht in Kiel.
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